Waiting for an idea
Aktion/Performance, 2022
OSB Platten, weiße Wandfarbe, Vorhängeschloss, Glühbirne, Verlängerungskabel, Stift, Eimer, Wasser, Ohrstöpsel
Maße Box: 110cm x 110cm x 180cm
Mit dem Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 10.10.2003 wurde dem Elfenbeinturm der akademischen Ausbildung eine Zahl an die Hand gegeben, um endgültig und vergleichbar bestimmen zu können, was einen Akademischen Grad ausmacht und wann man sich z.B. Diplom-Künstler*in nennen darf. Hieran war die Formel geboren, 30 Lebensstunden ergeben einen ECTS Punkt.
Um Künstler*in werden zu können, muss man mindestens 9000 Stunden arbeiten.
Doch was bedeutet es sich seiner Zeit bewusst zu werden?
Laura Bosserts Arbeit verdeutlicht das vertrackte Warten und damit verbundene Hoffnungen.
Wie der Heilige Hieronymus in seiner Stube versucht Bossert in Einsamkeit auf die Apotheose zu warten. In der Hoffnung, dass irgendwann ein Musenkuss eintritt. Spätestens nach 9000 Stunden müsste sie sich in eine Künstlerin verwandeln. Minutiös kann man anhand der Protokolle nachlesen, wie sich ihre innere Uhr vom Diktat der Braunschweiger Atomuhr löst. In der zeitlosen Zelle wird ihr bewusst, dass eine Lösung nicht in Sicht ist.
Stattdessen kann man als Voyeur beobachten, wie Bossert scheitert, hadert und sich irgendwann auf den Weg macht, zu hinterfragen, was es überhaupt bedeutet mit seinen Gedanken alleine zu sein. Das Experiment zeigt, dass es sinnlos ist auf kreative Eingebungen zu warten es aber gleichzeitig auch unmöglich ist einen kreativen Prozess zu forcieren.
Laura Bossert hat sich installativ in ihren eigenen Gedanken gefangen gehalten. Ein leerer weißer Raum transformiert sich durch zeichnerische und notizenhafte Elemente zu ihrem Gedankenraum.
Bossert zeigt in ihrer Arbeit eine fragile Innenansicht ihres Denkens und doch auch zeitgleich das Paradoxon der Wissensakkumulation an sich.
Denn sowohl die neoliberale Fetischisierung auf eine Berechenbarkeit, als auch das naive Credo der künstlerischen Eingebung führen ins Nichts. Das Narrativ der konstanten Selbstreflexion als Standardmethode des Kunststudiums, wird in Bosserts Arbeit zum Gegenstand des konsequenten Scheiterns.
Es wird der Finger in die Wunde des Zwischenraums gelegt; dort wo die eigentliche Übersetzung stattfindet: wo auch das Ökonomische in der Kunst erfahrbar wird.
Wie viel Zeit steckt man in eine Arbeit, wie verkaufe ich sie als gehaltvoll?
„Wie […] jedermann weiß, haben auch scheinbar unverkäufliche Dinge ihren Preis. Sie lassen sich nur deshalb so schwer in Geld umsetzten, weil sie mit der Absicht einer ausdrücklichen Verneinung des Ökonomischen hergestellt werden.“[1] (Pierre Bourdieu)
Es ist teilweise Sakrileg, berechnend Kunst zu machen. Man betreibt konstant einen „erheblichen Aufwand an Verschleierung oder, besser, Euphemisierung.“[2]
Scheitern ist Teil des künstlerischen Lebensstils. Man muss nur lange genug scheitern, bis irgendwann doch die Karriere vor der Tür steht und wenn nicht, ist es Schicksal, vielleicht erst posthum anerkannt zu werden.
Akteure im Kunstfeld lieben es, sich selbst beim (vermeintlichen) Scheitern zuzusehen, anders sind diese selbstimmunisierenden Diskurse, um Fragilität nicht zu erklären.
Bossert will kein Mitleid. Sie zeigt kein richtiges Scheitern und grübeln, sie zeigt durch die Inkonsequenz die eigentliche Euphemisierung. Das bisschen Sperrholz konstituiert keine Zelle, es lässt keine Schlüsse auf gesellschaftliche Themen zu- geschweige denn zu Themen der Exklusion.
Bossert baut sich ihre Welt und doch ist sie nicht integer. Ihre Aussagen sind kuratiert, Sie konstruiert sich selbst und kontrolliert pointiert den Blick durch die Betrachter*innen. Wird Ihre Arbeit als Scheitern anerkannt, erhält sie Anerkennung und gewinnt kulturelles Kapital. Doch dadurch ist das Scheitern wieder entkräftet. Ein Teufelskreis.
Nur eins ist klar:
Laura Bosserts Selbstinszenierung bringt sie am Ende des Tages 44 Stunden und 33 Minuten näher an ihr Kunstdiplom.
-Maxim Himmelspach
[1] Pierre Bourdieu: Ökonomisches Kapital- Kulturelles Kapital- Soziales Kapital. In: Ders. Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg 1997, S. 52.
[2] Ebd.